Bauern-Proteste: Demokratie muss sich vor Populismus schützen
Legitime Proteste müssen sich von Missbrauchsversuchen abgrenzen
In den kommenden Tagen werden viele Landwirte den Aufrufen ihrer Verbände folgen, um ihren massiven Protest gegen die avisierten Streichungen der Agrarsubventionen zum Ausdruck zu bringen. Obwohl ein Teil der Streichungen inzwischen bereits durch die Regierung wieder zurückgenommen worden ist, halten die Verbände dennoch an der „Aktionswoche“ fest, um auch noch die Rücknahme der restlichen Streichungen zu bewirken. Dies zu fordern ist in einer Demokratie völlig legitim.
Vor allem in den Sozialen Medien erleben wir, den Versuch einer Unterwanderung oder einer Instrumentalisierung der Bauernproteste durch rechte Akteure: Die einschlägigen Parteien, Mitglieder der Reichsbürgerszene, die Identitäre Bewegung, die sog. neue Rechte sowie auch Netzwerke, die sich bereits in der Corona-Pandemie oder zur Energiekrise lautstark demokratiefeindlich hervorgetan haben, mobilisieren für die Teilnahme an den Protesten. Das ist nicht neu: Schon bei vorherigen Bauernprotesten tauchten bereits unter Rechtsextremen beliebte Parolen, Galgensymbole und die Fahne der Landvolk-Bewegung auf. Laut Medienberichten wurde die Konfrontation zwischen den Bauern und Wirtschaftsminister Habeck durch die an die rechtsextrem eingestufte Partei „Freie Sachsen“ angelehnten „Freie Schleswig-Holsteiner“ organisiert. Zusammenfassend spricht der Jenaer Demokratieforscher Dr. Axel Salheiser gegenüber der ARD davon, dass es sich um völkisch-nationalistische bis rechtsextreme Gruppen handelt, die versuchten, die Proteste für ihre Zwecke zu nutzen.
Wie reagieren die Bauern auf diese Problematik?
Man kennt es: es tut gut, wenn die eigenen Forderungen von anderen Akteuren lautstark mit-proklamiert werden. Erst recht, wenn sie Wirkung zeigen – wie in der bereits erfolgten Rücknahme vieler Subventionsstreichungen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass man dann allzu leicht die wahren Beweggründe einiger der lautstarken Unterstützer unterschätzt und in die „Populismus-Falle“ tappt: Auf der Suche nach Support folgen Teile der Bauernproteste offenbar Akteuren, die sich für die „kleinen Bürger“, die „einfachen Leute“, die „Normalen“ vermeintlich starkmachen und übersehen dabei, dass es diesen völkischen bis rechtenextremen Akteure nicht nur darum geht die „Ampelregierung“ als Vertreterin von angeblich allem Schlechten „weghaben“ zu wollen, sondern gleich das „ganze System“ der Demokratie.
Der Deutsche Bauernverband erklärte zwar, rechtsextreme Gruppierungen, Verschwörungstheoretiker und andere Radikale hätten bei ihnen keinen Platz. Gleichzeitig ist bislang kein Veranstalter der Proteste beherzt gegen rechte Parolen und Symboliken eingeschritten. Symbolträchtig konnte einer der Hauptredner auf der Demonstration des Bauernverbandes am 18. Dezember 2023 in Berlin Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) mit einem rassistischen Spruch belegen, während der Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied danebenstand und nicht einschritt. Die Blockadeaktion gegen Habeck wurde durch den Verband zwar verurteilt, aber es bleibt abzuwarten, mit welchen konkreten Maßnahmen verhindert werden soll, dass an den Demonstrationen Rechtsextremisten teilnehmen und ihre Symbole zeigen sowie den „Volkszorn“ anheizen.
Es wird nicht reichen, im Umfeld der Proteste zu verkünden, dass „man gegen Teilnehmer aus dem rechten Lager“ sei. Entscheidend wird sein, ob und wie wirksam von den Veranstaltern, deren Vertretern (z.B. Ordnern) und von jedem einzelnen Bauern gegen die Kaperung durch rechte Akteure und deren Symbole tatsächlich vorgegangen wird. Ansonsten liefe die Situation Gefahr, als Beispiel von „alle haben es gewusst, aber keiner hat etwas dagegen getan“ zu wirken.
Es wird sich zeigen, ob die Grenze zwischen legitimem Protest und antidemokratischen Umsturzbestrebungen klar gezogen wird oder nicht. Gerade weil die Demokratie die Proteste möglichmacht, dürfen die Proteste nicht die Demokratie beschädigen.