Brief an den Chef von n-tv
Einseitige Schlagzeilen bzgl. des Nahost Konfliktes schüren Aggressionen
23.08.2018
Antwort von n-tv-Chef, Hr. Demmel:
Sehr geehrter Herr Dr. Adler,
zunächst möchte ich Ihnen für Ihre ausführliche Rückmeldung zu
unserem Internetangebot und der damit verbundenen Stellungnahme
zu einem unserer Artikel danken.
Ganz grundsätzlich kann ich Ihnen versichern, dass n-tv sehr großen
Wert darauf legt, dass wir in unserer Berichterstattung über den
Nahost-Konflikt in allen News-Angeboten immer eine sachliche,
neutrale Perspektive einnehmen.
Im Hinblick auf den von Ihnen zitierten Artikel muss ich einräumen,
dass die Schlagzeile in der Tat unglücklich gewählt war. Redaktionell
sollte dargestellt werden, dass ein Beschuss durch die Hamas
stattgefunden hat, auf den Vergeltungsschläge folgten und dabei kam
es zu Verletzten und Toten. Die vermeintliche Wertung in der
komprimierten Überschrift ist auch unserem Chef vom Dienst kurz
nach der Veröffentlichung aufgefallen, der dann umgehend eine
Änderung veranlasst hat. Zudem wissen die Nutzer von n-tv.de und
unsere Zuseher – nicht zuletzt durch unsere ausführliche
Berichterstattung aus Gaza – wie das Wort „Demonstranten in dem
jeweiligen Kontext zu betrachten ist. Damit ist der Artikel frei von
jedweder Parteinahme und entspricht unserem journalistischen
Anspruch.
Mit freundlichen Grüßen
Hans Demmel
Geschäftsführer
12.08.2018
Viele unserer Mitglieder und Follower haben uns auf die wiederholt anti-israelischen Überschriften von n-tv Beiträgen hingewiesen. Zwei aktuelle Fälle haben wir zum Anlass genommen, das Gespräch mit dem Sender zu suchen. Hier unser Anschreiben:
n-tv online Beitrag vom 09.08.2018 mit dem Titel:
„Gewaltausbruch im Nahen Osten. Hamas feuert, Israels Vergeltung tötet“
Sehr geehrter Herr Demmel,
die WerteInitiative e.V. ist ein politischer, gemeinnütziger Verein, der sich als eine zivilgesellschaftliche, jüdische Stimme in Deutschland etabliert hat.
Wir setzen uns für die Stärkung der Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aus jüdischer Perspektive ein. Dies tun wir, indem wir den wertebasierten politischen, gesellschaftlichen und medialen Diskurs, das bürgerschaftlich-jüdische Engagement in Deutschland und das deutsch-israelische Verhältnis fördern.
Die Schwerpunkte unserer Aktivitäten liegen in den Themenbereichen Innere Sicherheit, Integration, Extremismusprävention, Kampf gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit.
Im Rahmen unserer Arbeit stehen wir in engem Kontakt mit Dr. Felix Klein, dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, führen Hintergrundgespräche mit Mitgliedern des Bundestags, weiteren Politikern und gesellschaftsrelevanten Akteuren, geben öffentliche Statements und Empfehlungen ab, sind tagespolitisch in Social Media aktiv und veranstalten Diskussionsrunden sowie politische Salons. Wir schaffen darüber hinaus ein auf politischer Bildung basierendes Netzwerk zur Stärkung der Demokratie, für nachhaltiges bürgerschaftliches Engagement von Jung und Alt, sowie für den interreligiösen Austausch.
Daher wenden wir uns heute in folgender Angelegenheit an Sie:
Während des Abends und in der Nacht vom 08. Zum 09. August diesen Jahres stand der Süden Israels, zum wiederholten Male, unter Dauerbeschuss von Raketen der Hamas aus Gaza. Mehr als 150 Raketen wurden während dieser Nacht auf israelische Ortschaften und damit ohne Skrupel auch wahllos auf Zivilisten abgeschossen. Zwei Personen wurden verletzt als eine Rakete in ein Wohnhaus einschlug. Es entstand hoher Sachschaden und zehntausende Menschen verbrachten die Nacht in Bunkern oder Treppenhäusern.
Um diesem Dauerbeschuss ein Ende zu bereiten, flog die Luftwaffe der israelischen Armee in gleicher Nacht Angriffe und beschoss mindestens 12 terroristische Ziele, darunter eine Fabrik zur Herstellung von Zement und Bauteilen für Terrortunnel, einen Tunnel entlang der Küste, eine Fabrik zur Herstellung von Raketen und weitere militärische Einrichtungen.
Nach Aussage der Hamas sind bei diesen Angriffen bedauerlicherweise wohl auch zwei Zivilisten ums Leben gekommen.
Über diese Vorkommnisse berichten Sie mit der oben genannten Schlagzeile und fassen zusammen: „Hamas feuert, Israels Vergeltung tötet“.
Hier wird dem Leser sofort suggeriert, wer die Guten und wer die Bösen seien. Es wird vorab eine Wertung getroffen, die der israelischen Seite eine Art Tötungsabsicht unterstellt, während man den Eindruck gewinnen kann, die Hamas wolle nur etwas herumzündeln. Die Schlagzeile wurde nach heftigen Protesten in den Sozialen Medien journalistisch korrekt verändert.
Sehr geehrter Herr Demmel, es wird Ihnen bekannt sein, dass, laut diverser Studien über das Online-Leseverhalten, ca. 60% der Leser lediglich die Schlagzeile einer Nachricht rezipieren. Diejenigen Leser, die sich auch für den Volltext Zeit nehmen, sind bereits durch diese Art von Schlagzeile „eingestimmt“ und lesen den Rest unter deren Vorzeichen.
Und an wenigen Themen zeigt sich dieses „eingestimmt sein“ deutlicher als am Nahost-Konflikt zwischen Israelis und den Palästinensergruppen.
Inzwischen ziehen sich die Wirkungskreise solcher, sich regelmäßig wiederholenden und einseitig wertenden Schlagzeilen nämlich derart weit durch die deutsche Gesellschaft, dass jüdische Einrichtungen und Menschen (!) beinahe täglich attackiert werden und man dies nicht als Antisemitismus erkennen möchte, sondern mit den Codeworten „Antizionismus“ oder „Israelkritik“ bagatellisiert.
Natürlich kann man in einer Schlagzeile nicht alle Abläufe oder gar Hintergründe von Geschehnissen zusammenfassen. Aber es sollte doch möglich sein, die Aufmerksamkeit eines Lesers auf ordentlich journalistischem Wege und damit die Abläufe in chronologisch richtiger Reihenfolge wiedergebend erregen zu können. Denn wir können uns angesichts solcher Schlagzeilen leider des Eindrucks nicht erwehren, dass diejenigen, die für solche Überschriften zuständig sind, sich entweder der Macht und der damit einhergehenden Verantwortung der Medien nicht bewusst sind oder sie diese für eine höhere Klickzahl bewusst missbrauchen.
Dieser Eindruck erhärtet sich, sieht man die Schlagzeile von n-tv online vom 11.08.2018, die da lautet:
„Zwei Tote in Gaza. Israel beschießt Demonstranten“
Beim Wort „Demonstranten“ denkt man in Deutschland unweigerlich an Lichterketten, Plakate und Sprechchöre von Menschen, die irgendwo von A nach B ziehen um am Ende irgendeiner Kundgebung zu lauschen. Die gemeinhin für die „richtige Sache“ demonstrieren.
Das sind die Demonstrationen, die man aus Europa schätzt und das Recht, solche abzuhalten und daran teilzunehmen ist eine der größten Errungenschaften der Demokratie.
Das ist das Bild, das ein Leser im Kopf hat, wenn er solch eine Schlagzeile liest.
Dabei sollte es kein Geheimnis sein, dass die „Demonstrationen“ am Grenzzaun von Gaza völlig anders ablaufen. Dass dort „Demonstranten“ tausende von Autoreifen verbrennen, um Gewalttäter zu decken. Dass auf israelische Soldaten über die Grenze geschossen wird. Dass „Demonstranten“ mit allen möglichen Utensilien versuchen, den Grenzzaun gewaltsam zu durchbrechen, dass die Hamas dazu aufruft, auf der anderen Seite des Zauns so viele Menschen wie möglich zu töten oder zu entführen, um danach in Israel inhaftierte Terroristen freizupressen, ist hinreichend bekannt. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass diese „Demonstranten“ mit der Vernichtung des Staates Israel in ihren Herzen Brandbomben über die Grenze fliegen lassen, die bereits tausende Hektar Ackerflächen zerstört haben und so, zusammen mit den Rückständen der verbrannten Autoreifen, zu einer ökologischen Katastrophe geführt haben.
Das ist nur leider eben nicht das Bild, das sich in den Köpfen der Leser festsetzt, wenn eine Überschrift Israel bezichtigt, einfach so auf Demonstranten zu schießen.
Wir unterstellen dem n-tv-Team selbstverständlich keinen bösen Willen. Aber es scheint, als fehle eine gewisse Sensibilisierung für die Wirkung solcher Schlagzeilen auf den Leser; mit ihren Folgen, für den in Deutschland leider wieder ansteigenden und sich nicht mehr versteckenden Antisemitismus und somit für den Alltag von uns Juden in Deutschland.
Viele jüdische Deutsche wünschen sich daher, dass wir den Austausch mit Ihnen suchen. Wir würden gerne in einem Gespräch mit Ihnen unsere Erfahrungen und Sichtweise darlegen. Außerdem, nach vorne schauend erörtern, wie solche nicht als Kommentar, sondern als Bericht gekennzeichnete Artikel dem Anspruch eines Nachrichtensenders, Fakten statt Meinungen zu liefern, gerechter werden können.
Wir weisen darauf hin, dass wir Ihre Antwort – wenn Sie es uns nicht anders auferlegen -öffentlich kommunizieren werden. Persönliche Kontaktdaten und Unterschriften würden dabei unkenntlich gemacht.