Fach-WI-ssen: „Ist das Antisemitismus oder kann man das fördern?“
...über das Spannungsfeld zwischen Förderpolitik, Strafrecht und Kunstfreiheit" - mit Prof. Dr. Elisa Marie Hoven und Stella Leder
Antisemitische Narrative im Kunst- und Kulturbetrieb sind keine Ausnahme: Ob in Kassel bei der documenta fifteen, bei der Konferenz „Hijacking Memory“ in Berlin oder auf den Konzerten von Roger Waters: Die sichtbare Judenfeindlichkeit in Kunst und Kultur nimmt zu.
Häufig ist es schwierig bis unmöglich, gegen diese Art der Hassverbreitung rechtlich vorzugehen, da das verfassungsrechtlich hohe Gut der Kunstfreiheit nach vielen juristischen Auslegungen auch die Freiheit beinhaltet, Kunst mit antisemitischen Inhalten zu füllen. Gleichzeitig wird ein signifikanter Teil antisemitischer Kunst von staatlichen Institutionen durch öffentliche Mittel gefördert.
In unserem Fach-WI-ssen zum Thema „Ist das Antisemitismus oder kann man das fördern?“ diskutierten wir mit Prof. Dr. Elisa Marie Hoven und Stella Leder darüber, inwiefern es legitim ist, dass Steuergelder antisemitische Agitation finanzieren, wie gegen Judenhass in Kunst und Kultur vorgegangen werden kann und welche rechtlichen und strukturellen Veränderungen notwendig sind, um zukünftig Antisemitismus in Kunst und Kultur zukünftig zu verhindern.
Frau Hoven ist Professorin an der Universität Leipzig in deutschem und ausländischem Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschafts- und Medienstrafrecht.
Prof. Hoven sprach in ihrem Vortrag aus strafrechtlicher Perspektive über die Grenzen der Kunstfreiheit.
Stella Leder ist Autorin, Dramaturgin und Leiterin des Instituts für Neue Soziale Plastik.
Wenn Kunst regelmäßig Grenzen überschreitet in Richtung Protest, Aktivismus, Politik oder Propaganda bis hin zur Terrorverherrlichung, müssen dann nicht klarer Grenzen gezogen werden – in Förderrichtlinien oder Zuwendungsbescheiden?“
Frau Leder betonte in ihrem Vortrag die strukturelle Ebene des Antisemitismus in weiten Teilen des deutschen Kunst- und Kulturbetriebs und nannte eine Vielzahl an Beispielen dafür. Sie plädierte dafür, dass die Politik sich dieses Problems annehmen muss.
Im Rahmen einer Fragerunde sind Stella Leder und Prof. Elisa Hoven mit ihrer umfassenden Expertise auf die Publikumsfragen eingegangen.
Im Anschluss an die frühmorgendliche, große Gesprächsrunde gab es ein Treffen mit dem Kulturpolitischen Sprecher der Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Erhard Grundl, MdB.
Stella Leder und unsere Sprecherin Anna Staroselski sowie unser Vorstandsreferent Christof Steidl sprachen mit Herrn Grundl und seiner Mitarbeiterin über die Rahmenbedingungen für eine antisemitismuskritische Kulturpolitik und über die Förderung von Pluralismus im Kunst- und Kulturbereich.
Wir bleiben weiterhin an diesem wichtigen Thema dran, und sind weiter im Austausch mit Politikerinnen und Politikern und werden demnächst unser Positionspapier dazu veröffentlichen.