Werte(Initiative) in der Diskussion: Online-Radikalisierung und Gegenkonzepte.

Zwischen Imageboards, De-Plattforming und gesetzlichen Möglichkeiten - Gespräch zwischen Miro Dittrich und Dr. Matthias Lausen

26.02.2021

Online-Radikalisierung und Gegenkonzepte. Zwischen Imageboards, De-Plattforming und gesetzlichen Möglichkeiten

Gespräch mit Miro Dittrich und Dr. Matthias Lausen

Wann: Mittwoch, 10. März 2021, 19:30 Uhr
Wo: Online-Stream via Facebook

Radikalisierung und Verschwörungsmythen sind kein neues Phänomen. Dennoch ist auffallend, dass das Internet einen der zentralen Orte für  Radikalisierungen darstellt. Rechtsextreme Attentäter der letzten Jahre waren teilweise nicht in die (über-)regionalen Neonaziszenen eingebunden und dennoch keine isolierten „Einzeltäter“. Vor allem online waren sie mit Gesinnungskameraden in engem Austausch und bestens vernetzt. Auch der Islamische Staat nutzte für die Verbreitung seiner Propaganda und die Rekrutierung von Personen das Internet und soziale Medien. Teile der „Neuen Rechten“ setzen ebenfalls auf digitale Kampagnen. Dieser Offensive wurde mittlerweile durch „De-Plattforming“ etwas entgegengesetzt.

Als letztes Jahr die Plattform „Judas-Watch“ in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit geriet, war es eigentlich schon viel zu spät. Jahrelang konnte die Homepage ungehindert politische Feinde „der weissen Rasse“ auflisten. Jüdische Personen wurden darüber hinaus mit einem Davidstern markiert. Erst durch ein mühsames Meldeverfahren wurde die Hass-Website in Deutschland gesperrt. Doch warum war die Seite überhaupt so lange online?

Ein weiteres Beispiel für offen zur Schau getragenen Hass sind Imageboards. Aufgrund der nachgewiesenen Aktivitäten mehrerer Attentäter in Imageboards kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Berichterstattungen in den Medien. Imageboards bilden ein, von außen nicht ganz nachvollziehbares, Sammelsurium an Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit. Unter dem Schutze der Anonymität wird gegen Minderheiten gehetzt und zu Anschlägen aufgerufen. Immer wieder nutzten Attentäter Imageboards, um ihre Manifeste und Videos zu verbreiten. Das alles ist öffentlich zugänglich.

Ortswechsel, gleiches Phänomen: Auf dem Messengerdienst Telegram treiben vegane Kochbuchautoren ihr Unwesen, verbreiten Verschwörungsdenken und Hass auf Menschen. Auch Rechtsterroristen fühlen sich auf dieser Plattform wohl. Zahlreiche Akteure, denen auf anderen Plattformen ihre Accounts bereits gesperrt wurden, ziehen sich dorthin zurück. Moderation: nicht vorhanden. Follower: Zehntausende.

Wie sollte eine Gesellschaft mit diesen Herausforderungen umgehen? Was passiert dort überhaupt genau? Wer sind die Akteure und wie funktionieren diese Plattformen? Ist De-Plattforming eine funktionale Lösung? Und müssen Gesetze geschaffen oder geändert werden, um dem Internet als scheinbar rechtsfreiem Raum etwas entgegen setzen zu können?

Diese Fragen diskutieren wir mit den beiden Experten Miro Dittrich und Dr. Lausen.

Miro Dittrich ist Rechtsextremismusforscher. Er befasst sich mit der Schnittstelle von Technologie und Gesellschaft, mit dem Fokus auf menschen- und demokratiefeindliche Phänomene im digitalen Raum. Mittels qualitativen, quantitativen und OSINT geleiteten Untersuchungen klärt er seit Jahren über rechtsextreme Propaganda, Vernetzung und Radikalisierung in digitalen Räumen auf. Im Zuge der Zunehmenden Radikalisierung der rechtsextremen Szenen konzentrierte er sich ab 2019 zunehmend auf internationalen Rechtsterrorismus und digitale Nischenräume. Von 2018 bis 2020 leitete er das Projekt de:hate zu rechtsextremen, rechtspopulistischen und verschwörungsideologischen digitalen Phänomenen für die Amadeu Antonio Stiftung.

Dr. Matthias Lausen ist Jurist in München mit dem Schwerpunkt Urheber- und Medienrecht. Von 2003 – 2011 war er Lehrbeauftragter an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit 2006 ist er Dozent des Lehrgangs zum Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht am Institut für Urheber- und Medienrecht München. 1995 gründete er die Kanzlei „Lausen Rechtsanwälte“.