Dienstvilla des Bundespräsidenten gehörte bis 1933 Juden

Die dunkle Geschichte der schönen Villa

02.07.2018

04.06.2018 Einweihung der Gedenktafel

In einer kleinen, sehr würdigen Zeremonie wurde heute die Gedenktafel, welche an die jüdischen Vorbesitzer der Dienstvilla erinnert, enthüllt. Unser Dank gilt dem Historiker Dr. Julien Reitzenstein für seine Arbeit, ohne den dieser Teil der Geschichte in Vergessenheit geraten wäre, sowie Bundespräsident Steinmeier dafür, sich der Geschichte gestellt zu haben und dieser würdig gerecht geworden zu sein. Ort, Formulierungen und Kontext sind den tragischen Umständen rund um die Familie Heymann gegenüber sehr angemessen.

Im Rahmen der Veranstaltung, welche im kleinen Kreis in der Privatvilla des Bundespräsidenten stattfand, bestand die Gelegenheit, unseren Verein und unsere Arbeit vorzustellen. Als Beispiel einer kritischen Begleitung der Bundespolitik hat der Vorsitzende, Elio Adler, den Empfang der IGS (Dachverband schiitischer Gemeinden Deutschlands) beim Bundespräsidenten genannt und ihm unsere Bedenken dargelegt.

(c) Foto Bundespräsidialamt 2018

Das Problem:

Die heutige Dienstvilla das Bundespräsidenten gehörte bis kurz nach der Machtergreifung der Nazis einem Juden, Hugo Heymann, der sie unter Druck 1933 zu einem Preis unter Marktwert verkaufen musste. Dies hat der Historiker Julien Reizenstein 2014 herausgefunden, dokumentiert und anschnittsweise in einem Buch veröffentlicht. Vor der Veröffentlichung hat er das Einverständnis des von den Fakten überraschten Bundespräsidialamtes eingeholt, das brieflich mitteilte, es kenne die Geschichte des Hauses bereits seit 1999. Neben dem politischen Kontext und dem Preis des Verkaufs ist unter anderem die Figur des beurkundenden Notars dubios, welcher 1949 aus Buenos Aires schriftlich erklärte, dass er beim Verkäufer keinen Druck erkennen konnte und den Käufer bereits vorher in der Sache beraten zu haben. Das lässt den Verkauf – auch nach damaligem Recht – möglicherweise unwirksam sein und Folgeverkäufe ebenfalls.

Schon unter Bundespräsident Gauck und jetzt unter Bundespräsident Steinmeier mauerte das Bundespräsidialamt bezüglich des Themas. Die Verlegung der von Reitzenstein gestifteten Stolpersteine sagte die Stolperstein-Initiative nach Intervention des Präsidialamtes ab. Auf die Anregung Reitzensteins eine historisch einordnende Gedenktafel anzubringen, wurde mit der Beauftragung des Historikers Wildt reagiert, welcher ein Gutachten zur Sache machen sollte. Sie finden es auf der Homepage des Bundespräsidenten:
Dieses aus Steuermitteln bezahlte Gutachten ist qualitativ nach Meinung von Experten völlig unzulänglich. Bezüglich der Kosten mauert das Amt auch gegenüber Bundestagsabgeordneten.
Der Tenor des Gutachtens ist, dass der Verkäufer ein reicher Jude gewesen sei, der aus wirtschaftlichen Überlegungen den Zeitpunkt für geeignet hielt das Haus aus freien Stücken zu verkaufen. Es sei zudem unglaubwürdig, dass ein Jude Ende Januar 1933 Furcht vor einer Machtübernahme der Nazis gehabt haben könnte. Wesentlichen handwerklichen Anforderungen genügt das Gutachten nicht und kommt zudem zu keinem Schluss. Wichtige Akten sind entweder nicht beigezogen oder ausdrücklich nicht ausgewertet worden.

Das Bundespräsidialamt scheint zwar derzeit dahingehend einzulenken, dass eine Gedenktafel angebracht werden soll; dies aber wegen bzw. angesichts des Gutachtens des Herrn Wildt nicht in Anerkenntnis der historischen, moralischen und juristischen Fakten, sondern eher auf politischen Druck hin. So wird dem später von der Gestapo erschlagenen Hugo Heymann keine Gerechtigkeit zuteil.

Eine Erneuerung/Ergänzung des Gutachtens, mit dem Ziel daraus dann eine “lesbare” Veröffentlichung zu machen und eine Gedenktafel in einen passenden Kontext zu stellen, wäre angemessen.