Vertreter des iranischen Regimes in Berlin empfangen

Berlins Bürgermeister will Vertreter des iranischen Regimes empfangen. Wir haben ihm einen Brief geschrieben.

05.09.2019

Wir haben gestern den Regierenden Bürgermeister von Berlin angeschrieben. Er beabsichtigt, morgen den Teheraner Bürgermeister zu empfangen und hat dafür einen Fototermin mit der Presse angesetzt. Damit stärkt er ein Regime, dessen Werten besonders denen von Berlin diametral entgegenstehen. Hier unser Schreiben:
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Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister von Berlin Müller,

irritiert haben wir erfahren, dass Sie am Freitag, den 6.9.2019 Prooz Hanachi, Bürgermeister der iranischen Hauptstadt Teheran, und den neuen iranischen Botschafter Mahmoud Farazandeh im Roten Rathaus empfangen werden (1).
Hanachi soll laut Angaben der Nachrichtenagentur ISNA Mitglied der Revolutionsgarden gewesen sein, die von den USA als terroristische Gruppe eingestuft wird. Ebenso nahm er auch dieses Jahr am anti-Israelischen Quds-Marsch teil (2). Dieser fand auch in Berlin statt und stellt ein Sammelsurium von Antisemiten verschiedenster Couleur dar. Auch Innensenator Geisel hat gegen den Marsch demonstriert.

Das iranische Regime ist vor allem für seine weltweite Finanzierung und Förderung von Terrorismus und Destabilisierung des gesamten Nahen und Mittleren Ostens bekannt. Das Regime verbreitet Hass gegen Israel und Juden, verfolgt brutal Homosexuelle und Andersdenkende und unterdrückt Frauen systematisch.

Dies sehen wir diametral dem entgegenstehen, wie das Land Berlin sich selbst sieht und noch mehr, welche Art des Zusammenlebens wir für wünschenswert halten. Berlin hat als Hauptstadt Deutschlands zudem eine besondere Verantwortung, da sie international wahrgenommen wird und Signalwirkung hat.

Uns ist klar, dass man versuchen möchte, über Kontakte und Gespräche die Dinge zum Positiven zu beeinflussen. Wir möchten jedoch zu bedenken geben, dass unbedingt vermieden werden muss, Bilder von diesem Besuch zu produzieren, die das iranische Regime als Legitimierung und Respektsbekundung benutzen könnte. Ein solcher Besuch dagegen sollte genutzt werden, um scharfe Kritik an den umfangreichen Missständen im Iran und insbesondere auch der Hauptstadt Teheran zu üben.

Ihnen sollte bitte bewusst sein, dass durch diesen Besuch anstelle einer Stärkung der demokratischen Opposition, das Mullah-Regime weiter stabilisiert und legitimiert wird. Ein solcher Besuch ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich weltweit für den Kampf gegen Antisemitismus, für Gleichberechtigung und Menschenrechte einsetzen.
Als alternativen Umgang könnten Sie  beispielsweise eine Pressekonferenz nach dem Termin einberufen, bei der Sie bekannt geben, was Ihre kritischen Themen Ihrem Gast gegenüber waren (wie beispielsweise der Antisemitismus dieser Gäste) und was Sie von ihnen nachfolgend erwarten.

Dieser Besuch hat – auch im Zusammenhang mit der problematischen Besetzung des Beirats des künftigen Instituts für Islamische Theologie an der Humboldt-Universität durch die IGS –  einen weiteren bitteren Beigeschmack.

  1. (https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/termine/?fbclid=IwAR3sBbM6EqS-kM8UHQeukHB3Kw6LhM-PJMzvZxyQayG_LrZP7jEmvo3fVAI).
  2. https://www.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/teherans-buergermeister-warum-empfaengt-berlin-einen-islamisten-64401472.bild.html

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Elio Adler
– Vorstandsvorsitzender –

Hier die Antwort des Regierenden:


 

Sehr geehrter Herr Dr. Adler,

im Namen des Regierenden Bürgermeisters danke ich Ihnen für Ihre E-Mail vom 4. September 2019 zum geplanten Arbeitstreffen mit Bürgermeister Dr. Hanachi. Herr Müller bat mich, Ihnen zu antworten.

Lassen Sie mich zunächst betonen, dass der Regierende Bürgermeister Ihre Einwände zu Menschenrechtsverletzungen, Antisemitismus und der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung im Iran sehr ernst nimmt.

Die Stadt Berlin lebt von einer engagierten Bürgerschaft, die sich kritisch mit dem öffentlichen Leben auseinandersetzt und sich diesbezüglich äußert. Berlin steht auch für eine Gleichheit aller Menschen, für die Wertschätzung von Diversität sowie Demokratie. Diese Werte sind nicht verhandelbar. In der Konsequenz bedeutet sie aber auch, den kritischen Dialog auch mit andersdenkenden Menschen zu ermöglichen und diese Prinzipien dabei offensiv zu vertreten. Besonders eindrucksvoll wird dies im Rahmen der Präsidentschaft des Regierenden Bürgermeisters im internationalen Städtenetzwerk Metropolis deutlich. Im Netzwerk kooperieren 138 Metropolen aus allen Kontinenten und aus sehr unterschiedlichen politischen und kulturellen Kontexten. Auch Teheran ist seit 27 Jahren Mitglied von Metropolis und Teil des demokratisch agierenden Vorstandes des Netzwerks. Ein wesentliches Ziel der Arbeit von Metropolis ist die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bewohnerinnen und Bewohner der Mitgliedsstädte des Netzwerks. Deshalb tauschen sich die Mitglieder zu fachlichen und stadtpolitischen Fragen aus und lernen gemeinsam.

Nach Abwägung aller Fakten und unter Konsultierung unter anderem des Auswärtigen Amtes wurde entschieden, dass es Raum für kritischen Dialog mit Herrn Hanachi in Berlin geben wird. Dieser ist die Grundlage für Veränderung und fester Bestandteil einer offenen Gesellschaft. Der Regierende Bürgermeister hat stets deutlich gemacht, dass das Existenzrecht Israels nicht antastbar ist. Er setzt sich für Vielfalt und die Gleichheit aller Menschen ein. Diese Haltung wird er im Gespräch mit Herrn Dr. Hanachi und auch in Zukunft engagiert vertreten.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

Andreas Psiorz
Leiter der Bürgerberatung