Ruhrtriennale 2020: Offener Brief fordert Eröffnungsredner ausladen und Intendantin absetzen!

Der Aufruf zum anti-israelischen Boykott ist keine förderungswürdige Meinung. Daher haben wir u.a. den Ministerpräsidenten von NRW, Armin Laschet, angeschrieben

20.04.2020

20.04.2020

Mit diesem offenen Brief haben wir uns an den Ministerpräsidenten des Landes NRW, Armin Laschet, die Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen sowie die Antisemitismus-Beauftragte des Landes NRW, Frau Leutheusser-Schnarrenberger gewandt:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Laschet,
sehr geehrte Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen,
sehr geehrte Frau Leutheusser-Schnarrenberger,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Eiskirch,

auch in diesem Jahr irritiert die Intendantin der Ruhrtriennale, Frau Stefanie Carp, mit einer Einladung, die uns sehr stark an den Ruhrtriennale-Skandal um die Musikband „Young Fathers“ im Jahr 2018 erinnert. Es darf keine Bühne für Israelhass und Antisemitismus bei der Ruhrtriennale geben; wir appellieren dringend an Sie: der Eröffnungsredner Achille Mbembe muss ausgeladen und die Intendantin Stefanie Carp abgesetzt werden.

Damals gab es Signale aus der Politik, dass sich so etwas nicht noch einmal wiederholen werde. Das Land Nordrhein-Westfalen verabschiedete noch im September 2018 einstimmig einen Beschluss, der sich gegen die antisemitische BDS-Bewegung richtete. Auch der Deutsche Bundestag hat sich im Beschluss „BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“ aus dem Mai 2019 eindeutig gegen die BDS-Kampagne ausgesprochen und keine Zweifel am antisemitischen Charakter von Boykottaufrufen gegen den jüdischen Staat gelassen.

Die Ruhrtriennale installierte als Konsequenz einen Stellvertreter und Frau Pfeiffer-Poensgen, war überzeugt, dass Carp “die Bedeutung des Themas nunmehr stärker im Blick hat und antisemitische Aktionen und Gruppierungen im Rahmen der Ruhrtriennale keine Plattform finden werden”.

Angesichts der Einladungspolitik von Frau Carp protestieren wir heute jedoch erneut. Der Historiker und Soziologe Achille Mbembe soll in diesem Jahr die Eröffnungsrede auf der Ruhrtriennale halten. Mbembe hat in der Vergangenheit einen Aufruf zum akademischen Boykott Israels unterzeichnet. Ende 2016 erschien ein Aufsatz mit dem Titel „The society of enmity“ („Die Gesellschaft der Feindschaft“), indem er den antisemitischen Vorwurf einer vermeintlich in Israel vorherrschenden Apartheid, sogar noch überbietet:

  • „[…] Apartheid trägt […] dem spezifischen Charakter des israelischen Trennungsprojekts nicht vollständig Rechnung. […] Die apokalyptischen und katastrophalen Elemente, […] sind weitaus komplexer und entstammen einem längeren historischen Horizont als die Elemente, die früher den südafrikanischen Calvinismus unterstützten.
  • Darüber hinaus sind die Auswirkungen des israelischen Projekts auf den palästinensischen Körper angesichts seines „Hi-Tech“-Charakters weitaus beeindruckender als die relativ primitiven Operationen, die das Apartheidregime in Südafrika zwischen 1948 und den frühen 1980er Jahren durchgeführt hat.
  • Dies zeigt sich […] in den verschiedenen Techniken der materiellen und symbolischen Auslöschung. […] auch in seinen Verfahren und Techniken der Zerstörung […] und in seiner fanatischen Zerstörungspolitik, die darauf abzielt, das Leben der Palästinenser in einen Trümmerhaufen oder einen zur Säuberung bestimmten Müllhaufen zu verwandeln. In Südafrika haben die Trümmerhaufen nie ein solches Ausmaß erreicht.

Im selben Aufsatz vergleicht Mbembe, darüber hinaus, das ehemalige südafrikanische Apartheidsystem mit der Shoa.

Da Mbembe Israel der Apartheid bezichtigt und das ehemalige südafrikanische Apartheidsystem mit der Shoa vergleicht, führt dies zu der berechtigten Annahme, dass er die Haltung des demokratischen Staates Israel gegenüber den palästinensischen Arabern mit denen der Nationalsozialisten während der Shoa gleichsetzt. Ein antisemitisches Bild in Reinform.

Boykottaufrufe gegen den jüdischen Staat haben eine lange Tradition. Von der „Kauft-nicht-bei-Juden-Kampagne“ der Nationalsozialisten, bis hin zu Israel-Boykottkampagnen deutscher Neonazigruppierungen, wie z.B. „Der III. Weg“: Kein Staat der Welt ist in dieser Permanenz solchen Aufrufen ausgesetzt. Zufall? Nein – Das Problem heißt Antisemitismus und es verbietet sich, es z.B. durch Schlagwörter wie „Kunstfreiheit“ zu bagatellisieren.

Das Land Nordrhein-Westfalen muss sich in dieser wiederkehrenden Situation jedoch ernsthaft fragen, ob es ein Kunstfestival fördern möchte, deren Intendantin Aufrufen zu einem Boykott des jüdischen Staates nicht entschieden entgegentritt, sondern sie als Teil der Kunstfreiheit fördert und einen Redner einlädt, der sich shoarelativierend äußert. Wir sind der festen Überzeugung, dass so etwas in Deutschland keinen öffentlichkeitswirksamen Raum haben darf.

Man kann das Agieren von Frau Carp nicht dem Zufall zuordnen. Frau Carp, die sich aufgrund des Protests im Rahmen der Ruhrtriennale 2018 schon als Opfer einer „Hexenjagd“ inszenierte, diffamiert auch dieses Jahr das ausführliche und gut belegte Protestschreiben des FDP-Landtagsabgeordneten Lorenz Deutsch als falsch und zeigte sich überzeugt, dass Mbembe die Eröffnungsrede auf der Ruhrtriennale halten wird. Auf inhaltliche Kritik ging sie dabei freilich nicht ein.

Stefanie Carp hat durch ihr Verhalten im Rahmen ihrer Intendanz dem Kunstfestival einen erheblichen Schaden zugefügt. Sie schadet mit ihren Entscheidungen nicht nur der jüdischen Gemeinschaft, indem sie durch ihre Einladungspolitik antisemitischen Bildern und Argumentationsmustern Vorschub leistet, sondern auch ihren eigenen Fördergebern und damit dem Land NRW. Mehrere hochrangige PolitikerInnen sowie der Antisemitismusbeauftragte des Bundes haben sich schon zu Wort gemeldet und den Auftritt Mbembes deutlich kritisiert.

Bitte nehmen Sie – trotz des verständlicherweise dominierenden Themas „Corona“ – die Sache ernst. Verhindern Sie den Auftritt Mbembes und zeigen Sie Frau Carp die Grenzen auf: Die Absetzung von Frau Carp und die Einsetzung eines Interims-Intendanten ist notwendig, um den bisher entstandenen Imageschaden zu reparieren.

Wir weisen höflich darauf hin, dass wir diesen Brief und Ihre Antwort – wenn Sie es uns nicht anders auferlegen – öffentlich kommunizieren werden. Persönliche Kontaktdaten und Unterschriften würden dabei unkenntlich gemacht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Elio Adler
– Vorsitzender –

Antwort Pfeiffer-Poensgen

Sehr geehrter Herr Dr. Adler,

für Ihr Schreiben vom 20.4.2020, das Sie auch an Herrn Ministerpräsident Armin Laschet gerichtet haben, der Ihnen bereits geantwortet hat, bedanke ich mich. Auch wenn seit Ihrem Brief einige Zeit vergangen ist, was ich zu entschuldigen bitte, möchte ich doch gerne antworten.

Die diesjährige Ruhrtriennale wurde am 22.04.2020 wegen der Corona-Situation durch einen einstimmigen Beschluss des Aufsichtsrates der Kultur Ruhr GmbH abgesagt. In der Folgezeit gab es, wie Sie wissen, eine lebhafte Debatte in den Feuilletons über Prof. Mbembes Positionen zu Israel, aber auch grundsätzlich zu den inhaltlichen Positionen des wissenschaftlichen postkolonialistischen Diskurses. Vieles ist dadurch deutlicher geworden und differenzierter diskutiert worden.

Prof. Mbembe hat sich zum Existenzrecht Israels bekannt und von jeglicher Form des Antisemitismus distanziert. Er hat auch mehrfach erklärt, dass er die BDS-Bewegung nicht unterstützt und seine Meinung zum wissenschaftlichen Boykott Israels geändert habe. Diesen Boykott lehne er nunmehr ab. Gleichwohl sind seine Argumentationsmuster zum Apartheid-Vergleich Israels und seine Vergleiche des Holocausts mit der Rassentrennung der Apartheid nicht nur wissenschaftlich angreifbar, sondern in der Tat objektiv dazu geeignet, in der Gefahr zu stehen, den Holocaust zu relativieren.

Gerne konzediere ich, dass die Intendantin Frau Dr. Carp in ihrer Kommunikation unglücklich agiert hat. Es sollte ihr aber nicht unterstellt werden, dass sie einen Boykott Israels befürworte oder für antisemitische Positionen offen sei. Sie hat auch glaubhaft versichert, dass der von ihr eingeladene Eröffnungsredner Mbembe nicht über Israel oder den Nahostkonflikt reden wollte, sondern über seine Einschätzungen, wie die Krise der Menschheit überwunden werden könne. Der Text ist inzwischen in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht worden und bestätigt dies. Frau Dr. Carp wollte also nicht, wie Sie vermuten, der BDS-Kampagne ein Forum einräumen.

Lassen Sie mich Ihnen versichern, dass ich Ihre geschilderten Sorgen über einen zunehmenden Antisemitismus in Deutschland sehr ernst nehme. Antisemitismus, Rechtsextremismus und Diskriminierung dürfen in keiner Spielart und Verkleidung einen Platz in unserer Demokratie haben. Hier gilt es, den Anfängen zu wehren und entschieden gegenzusteuern. Dies hat oberste Priorität für die Politik der Landesregierung. Insofern schließe ich mich den Ausführungen von Herrn Ministerpräsident Laschet an Sie ausdrücklich an.

Mit freundlichen Grüßen

Isabel Pfeiffer- Poensgen

21.04.2020

Im Vorfeld der Ruhrtriennale 2020 wurden die Intendantin Stefanie Carp und der von ihr geplante Eröffnungsredner Achille Mbembe mit dessen Aussagen in Bezug auf den Staat Israel konfrontiert. Mbembe sowie Carp betonten, dies seien Unterstellungen. Einer Überprüfung würden diese Unterstellungen allerdings kaum standhalten, denn die Realität sähe anders aus. Wir haben einmal genauer nachgesehen:

Mbembe hat das Vorwort des Buches „Apartheid Israel – The Politics of an Analogy“ geschrieben. Dies freilich nicht, um den darin nachfolgenden Texten zu widersprechen, sondern ihnen seinerseits das richtige Framing zu geben.

 

 

 

 

 

 

 

„Um klarzustellen, es ist keine Apartheid im Stile Südafrikas. Es ist viel tödlicher.“

 

 

 

„…die Zeit für eine globale Isolierung [Israels] ist gekommen.“

Alle Erlöse des Buches gehen an Palestinian Campaign for the Academic and Cultural Boycott of Israel (PACBI). PACBI ist offizieller Teil der BDS-Kampagne.

Rede am 12. Mai 2019 im Düsseldorfer Schauspielhaus:

Die umfassende oder auch nur relative Abschließung wird begleitet von periodischen militärischen Eskalationen und dem ständigen Einsatz extralegaler Tötungen. Die über den Raum ausgeübte Gewalt, humanitäre Strategien und eine spezielle Biopolitik der Bestrafung bringen ihrerseits in ihrer Kombination einen eigentümlichen Gefängnisraum hervor, in dem Herrschaft über Menschen ausgeübt wird, die als überschüssig, unerwünscht oder illegal gelten, wobei man jede Verantwortung für deren Leben und Wohlergehen von sich weist.

So sieht klassische Dämonisierung und die Anwendung doppelter Standards aus. Die Hamas foltert und tötet ihre eigene Bevölkerung und ihre Gegner und greift Israel fortlaufend mit Raketen an. Bei Mbembe ist aber nur Israel verantwortlich für „extralegale“ Tötungen und nur Israel betreibt „militärische Eskalation“.

FAZIT:

Mag sein, dass Mbembe niemals explizit einen offiziellen Aufruf der BDS-Kampagne unterzeichnet hat. Allerdings: Was unterscheidet die Forderung nach einer globalen Isolierung von den Forderungen der BDS-Kampagne?
Wieso schreibt man ein Vorwort für ein Buch, dessen Erlös Teilen der BDS-Kampagne zu Gute kommt?

Er steht für Meinungen die dem friedlichen Zusammenleben von Menschen und Völkern schaden. Seine Distanzierung von der antisemitischen BDS-Kampagne ist völlig unglaubhaft. Er benutzt ihr Narrativ und trägt zu ihrer Finanzierung bei.

Mbembe ist KEIN geeigneter Eröffnungsredner für die Ruhrtriennale. Wir bleiben bei der Forderung nach seiner Ausladung und der Abberufung der Intendantin Stefanie Carp.