BDS-Versteher inszenieren sich als Opfer
Besonders ein paar Namen und Organisationen auf Seiten der BDS-Versteher irritieren dabei sehr
Da sind sie nun also – Plädoyers, Essays, Brandbriefe etc.. Pünktlich zum jüdischen Familien- und Lichterfest Chanukkah kommen sie aus verschiedenen Richtungen und haben ein gemeinsames Ziel: den Bundestagsbeschluss gegen die im Kern antisemitische und israelfeindliche Boykottkampagne BDS aus dem Mai 2019 zu diskreditieren und aus den Angeln zu heben. Während die Gesellschaft gegen die Corona-Pandemie kämpft, KünstlerInnen und Teile der Wirtschaft um ihre Existenz ringen, antisemitische Verschwörungsmythen und Anfeindungen Hochkonjunktur haben, scheint für die diversen Autorinnen und Autoren der geeignete Zeitpunkt gekommen, ihre Kräfte zum Kampf zu vereinen. Wofür eigentlich? Für ein Problem, das keines ist.
Viel durften wir nun schon in den vergangenen 19 Monaten lesen. Meist sprachlich hochtrabend und geprägt von dem alarmistischen Scheinargument, der Bundestagsbeschluss und viele ähnliche Beschlüsse auf kommunalen Ebenen würden die Meinungsfreiheit unzulässig beschränken. Das Wort der vermeintlichen Einengungen von Diskursräumen, Beschneidungen der Wissenschafts- und Kunstfreiheit und gar die „missbräuchliche Verwendung des Antisemitismusbegriffs“ macht die Runde.
Der zentrale Vorwurf dabei, dass der Anti-BDS-Beschluss die Kritik an israelischer Politik kriminalisiere und „wichtige Stimmen“ mundtot mache, indem man ihnen Antisemitismus vorwerfe, ist schlichtweg falsch. Die Medien, Diskussionsveranstaltungen und die Politik strotzen vor lauter kritischer Äußerungen gegenüber israelischer Politik. Es gibt kaum ein anderes Land, das die deutschen Gemüter so sehr „besorgt“, wie Israel. Weder das himmelschreiende Unrecht gegenüber den Uiguren, noch die staatlich verordneten Morde im Iran oder Belarus wecken ein derartiges Kritikbedürfnis, wie der Staat Israel.
In ihren Texten fordern die Boykott-VersteherInnen, dass sie nicht darin boykottiert werden möchten, den Staat Israel zu boykottieren. Hier ist schwer zu sagen, ob sie dies vorsätzlich falsch oder nur naiv formuliert haben. BDS boykottiert nicht „den Staat“ Israel. BDS ist ein Totalboykott von allem jüdisch-israelischen, wie z.B. Touristinnen, Künstlerinnen und Künstler, Sportlerinnen und Sportler, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Wirtschaft und Politik. Und auch, wenn dieser Totalboykott antisemitisch und für die Sache eines friedlichen Zusammenlebens von Israelis und palästinensischen Araberinnen und Arabern falsch ist, ist so ein Totalboykott – auch nach dem Anti-BDS-Beschluss des Bundestags – nicht verboten. Ebenso ist nicht verboten, sich faktenbefreit dem für westliche Ohren geschönten Narrativ (um das Wort „Lügengeschichte“ zu vermeiden) rund um die Gründung und Absichten der BDS-Kampagne anzuschließen. Allerdings sollte das Ziel des Bundestagsbeschlusses sein, dass dies keine durch Steuermittel alimentierte geförderte Haltung ist.
Daran regt sich nun Widerstand, zumeist aus bereits zuvor einschlägig bekannten Kreisen. Verständlich ist dieser Widerstand nicht. Es ist so, als würde man für rechtsextreme Bewegungen fordern, dass sie fortan Räume der öffentlichen Hand nutzen dürfen sollten, da man sonst Diskursräume einengen würde. Denn, die antisemitische BDS-Kampagne bedroht weiterhin Israels Existenzrecht als jüdischen Staat und leistet Antisemiten weltweit Vorschub, die ihren Hass nur allzu gern als „Israelkritik“ zu tarnen versuchen. Sie ist eine für Extremisten und Terroristen offene Ideologie und hat faktisch noch nichts für eine Verbesserung der Lebenssituation von Palästinenserinnen und Palästinensern getan, sondern sich ausschließlich gegen Israel engagiert.
Es macht traurig und fassungslos zu sehen, dass große (steuerlich geförderte) Institutionen wie bspw. das Goethe-Institut, die Kulturstiftung des Bundes oder auch das Einstein Forum, jeweils in Form ihres Spitzenpersonals, gegen diesen Bundestagsbeschluss agitieren.
Als wenn dies nicht Skandal genug ist, unterzeichnet die Leiterin des „Zentrums für Antisemitismusforschung“ (ZfA) ebenfalls einen dieser BDS-Versteher-Briefe. Es ist bei vielen Jüdinnen und Juden sowie Fachleuten bereits als ein “Zentrum für Antisemitismus-Relativierung“ bekannt und macht diesem Ruf leider ein weiteres Mal alle Ehre. Laut einer Studie der Universität Bielefeld erleben über 80%[1] der Befragten jüdischen Bürgerinnen und Bürger BDS als antisemitisch. Aber was heißt das schon? Das ZfA weiß es besser und ignoriert die Stimmen der Betroffenen. So wie die Leiterin auch andere Offensichtlichkeiten gerne negiert, wie z.B. die Existenz antisemitischer Ausfälle auf deutschen Schulhöfen.
Besonders auffallend bei Namen, die unter einem der BDS-Versteher Texte in der nebulösen Rubrik „fachlicher Rat und Diskussionsbeiträge“ genannt sind:
Thomas Krüger, der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, hat die Akteure beraten, obwohl man gerade bei dieser Institution Neutralität und Compliance mit demokratischen Entscheidungen des Bundestags voraussetzen können müsste.
Ein weiterer der „Spin-Doktoren“ dabei scheint, verstörender Weise, Dr. Andreas Görgen, seines Zeichens “Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation” im Auswärtigen Amt, zu sein. Die Behörde, die 2020 den Vorsitz der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) inne hat. Und eben diese IHRA ist es, welche die international renommierteste Antisemitismus-Definition geschaffen hat. Diese Definition wurde von über 40 Regierungen – auch der deutschen – bereits angenommen. Die Motivationslage des BDS ist, gemäß den in der Definition genannten Kriterien zur Erkennung von Antisemitismus, in weiten Teilen antisemitisch. Doch anstatt, dass das Auswärtige Amt, während seiner Zeit als Vorsitzende der IHRA, deren eigene Antisemitismus-Definition stützt und verbreitet, glänzt die zuständige Abteilung durch völlige Unsichtbarkeit. Nur Herr Görgen ist aktiv und stellt sich offenbar der Beschlusslage des Bundestags und der Bundesregierung entgegen.
Wir begrüßen die Standhaftigkeit der Bundesregierung, den Anti-BDS-Beschluss des Bundestags zu respektieren und daran festzuhalten. Wir fordern die UnterzeichnerInnen daher auf, ihre Positionierung zu überdenken und sich intensiv mit der Geschichte, den Mitteln und Zielen der BDS-Kampagne auseinanderzusetzen. Wir sind uns sicher, dass danach einige, denen wir im Zweifel gute Absichten unterstellen, ihre Mitzeichnung zurückziehen werden.
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[1] https://uni-bielefeld.de/ikg/daten/JuPe_Bericht_April2017.pdf