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Berliner Hochschulgesetz: Antisemitische Gewalt erfordert Konsequenzen

Ein jüdischer Student der Freien Universität Berlin wird von einem israelfeindlichen Kommilitonen vor einer Bar krankenhausreif geprügelt, weil er Jude ist. Bereits Wochen und Monate zuvor wurde der jüdische Student in den israelfeindlichen Kreisen der Universität diffamiert und zur Zielscheibe von Judenhass gemacht.

Nun verdeutlichen mehrere Brüche im Gesicht die Schwere der körperlichen Gewalt, die vom Täter ausging.
Der Präsident der FU Berlin Günter Ziegler, der bis dato eher durch weniger offensives Handeln aufgefallen ist, lässt nun mögliche Konsequenzen für den gewalttätigen Studenten prüfen.

Die Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra, die in ihrem Statement zunächst erklärte, dass sie grundsätzlich gegen Exmatrikulationen aus „politischen Gründen“ sei, forderten wir zu einer Klarstellung ihrer Position zu dem antisemitischen Gewaltvorfall auf. In ihrer jüngsten Stellungnahme weist die Wissenschaftssenatorin nun darauf hin, dass eine Exmatrikulation rechtlich nicht möglich sei und ein Hausverbot für den gewalttätigen Studenten verhängt werden solle.
Die vergangene Berliner Regierung reformierte das Hochschulgesetz dahingehend, dass eine Exmatrikulation in solchen Fällen formal nicht möglich ist. Es liegt jedoch in der Verantwortung der aktuellen Regierung und insbesondere der Wissenschaftssenatorin, hier notwendigerweise die rechtlichen Lücken zu schließen.

Allein ein Hausverbot für ein paar Monate auszusprechen, löst das Problem nicht. Denn nachdem die Frist des Hausverbots ausgelaufen ist, wären weitere jüdische Studierende diesem gewalttätigen Studenten ausgesetzt.

Es braucht reale und konkrete Konsequenzen für antisemitische Gewalttäter und Maßnahmen zum Schutz jüdischer Studierender an den Universitäten und Hochschulen.

Ein erster Schritt wäre es, dem Täter bis zur Klärung der Tat Hausverbot zu erteilen und nach Klärung ggf. zu exmatrikulieren. Als zweiter Schritt muss klar sein, dass solche Taten nicht aus dem Nichts in einem luftleeren Raum erfolgen, sondern in einer Atmosphäre entstehen. An der FU Berlin und auch anderorts.

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Bauern-Proteste: Demokratie muss sich vor Populismus schützen

In den kommenden Tagen werden viele Landwirte den Aufrufen ihrer Verbände folgen, um ihren massiven Protest gegen die avisierten Streichungen der Agrarsubventionen zum Ausdruck zu bringen. Obwohl ein Teil der Streichungen inzwischen bereits durch die Regierung wieder zurückgenommen worden ist, halten die Verbände dennoch an der „Aktionswoche“ fest, um auch noch die Rücknahme der restlichen Streichungen zu bewirken. Dies zu fordern ist in einer Demokratie völlig legitim.

Vor allem in den Sozialen Medien erleben wir, den Versuch einer Unterwanderung oder einer Instrumentalisierung der Bauernproteste durch rechte Akteure: Die einschlägigen Parteien, Mitglieder der Reichsbürgerszene, die Identitäre Bewegung, die sog. neue Rechte sowie auch Netzwerke, die sich bereits in der Corona-Pandemie oder zur Energiekrise lautstark demokratiefeindlich hervorgetan haben, mobilisieren für die Teilnahme an den Protesten. Das ist nicht neu: Schon bei vorherigen Bauernprotesten tauchten bereits unter Rechtsextremen beliebte Parolen, Galgensymbole und die Fahne der Landvolk-Bewegung auf. Laut Medienberichten wurde die Konfrontation zwischen den Bauern und Wirtschaftsminister Habeck durch die an die rechtsextrem eingestufte Partei „Freie Sachsen“ angelehnten „Freie Schleswig-Holsteiner“ organisiert. Zusammenfassend spricht der Jenaer Demokratieforscher Dr. Axel Salheiser gegenüber der ARD davon, dass es sich um völkisch-nationalistische bis rechtsextreme Gruppen handelt, die versuchten, die Proteste für ihre Zwecke zu nutzen.

Wie reagieren die Bauern auf diese Problematik?

Man kennt es: es tut gut, wenn die eigenen Forderungen von anderen Akteuren lautstark mit-proklamiert werden. Erst recht, wenn sie Wirkung zeigen – wie in der bereits erfolgten Rücknahme vieler Subventionsstreichungen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass man dann allzu leicht die wahren Beweggründe einiger  der lautstarken Unterstützer unterschätzt und in die „Populismus-Falle“ tappt: Auf der Suche nach Support folgen Teile der Bauernproteste offenbar Akteuren, die sich für die „kleinen Bürger“, die „einfachen Leute“, die „Normalen“ vermeintlich starkmachen und übersehen dabei, dass es diesen völkischen bis rechtenextremen Akteure nicht nur darum geht die „Ampelregierung“ als Vertreterin von angeblich allem Schlechten „weghaben“ zu wollen, sondern gleich das „ganze System“ der Demokratie.

Der Deutsche Bauernverband erklärte zwar,  rechtsextreme Gruppierungen, Verschwörungstheoretiker und andere Radikale hätten bei ihnen keinen Platz. Gleichzeitig ist bislang kein Veranstalter der Proteste  beherzt gegen rechte Parolen und Symboliken eingeschritten. Symbolträchtig konnte einer der Hauptredner auf der Demonstration des Bauernverbandes am 18. Dezember 2023 in Berlin Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) mit einem rassistischen Spruch belegen, während der Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied danebenstand und nicht einschritt. Die Blockadeaktion gegen Habeck wurde durch den Verband zwar verurteilt, aber es bleibt abzuwarten, mit welchen konkreten Maßnahmen verhindert werden soll, dass an den Demonstrationen Rechtsextremisten teilnehmen und ihre Symbole zeigen sowie den „Volkszorn“ anheizen.

Es wird nicht reichen, im Umfeld der Proteste zu verkünden, dass „man gegen Teilnehmer aus dem rechten Lager“ sei. Entscheidend wird sein, ob und wie wirksam von den Veranstaltern, deren Vertretern (z.B. Ordnern) und von jedem einzelnen Bauern gegen die Kaperung durch rechte Akteure und deren Symbole tatsächlich vorgegangen wird. Ansonsten liefe die Situation Gefahr, als Beispiel von „alle haben es gewusst, aber keiner hat etwas dagegen getan“ zu wirken.

Es wird sich zeigen, ob die Grenze zwischen legitimem Protest und antidemokratischen Umsturzbestrebungen klar gezogen wird oder nicht. Gerade weil die Demokratie die Proteste möglichmacht, dürfen die Proteste nicht die Demokratie beschädigen.

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Ein jüdischer Blick auf den Tag der Deutschen Einheit

Nach der Shoa war es nicht selbstverständlich, dass Juden, die vor dem Nazi-Regime geflohen waren, nach Deutschland zurückkehrten. Ihre Beweggründe waren unterschiedlich, auch insbesondere vor der Fragestellung, ob sie nach Ost- oder Westdeutschland zurückkehrten. Nicht unbedeutend war für Juden, die sich für ein Leben in  der „Sowjetische Besatzungszone“ (SBZ) entschieden hatten, Teil des neuen „antifaschistischen Staates“ zu werden. Nach Kriegsende wurden in der SBZ-Antisemitismus und andere Diskriminierungsformen mit dem westlichen „kapitalistischen Profit- und Welteroberungsbestreben“ verbunden. Im Selbstverständnis der DDR lagen die Wurzeln des neuen, sozialistischen Staates im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Damit würde eine Nachfolge der deutschen Tätergesellschaft ausgeschlossen sein. Die Aufarbeitung der NS-Zeit wurde beim Aufbau des „antifaschistischen Staats“ auf eine Form der Repräsentation des Widerstands degradiert. Juden wurden zudem als Hauptopfergruppe der Nationalsozialisten infrage gestellt. Eine Aufarbeitung der eigenen Täterschaft fand nur oberflächlich oder gar nicht statt. Gleichwohl ging von der DDR-Führung ein grassierender Antisemitismus aus. Unter anderem zeigte sich das auch durch die enge Kooperation zwischen der DDR und damals ausschließlich auf die Vernichtung Israels ausgerichteter, palästinensischer Terrorgruppen.

Die Vision der zurückgekehrten Juden, einen antifaschistischen Staat mit aufzubauen, stellte sich für Viele als große Enttäuschung, wenn nicht gar gefährlich heraus. Der Mangel an Aufarbeitung der NS-Geschichte in Verbindung mit (linken) antisemitischen Verschwörungsmythen, ist bis heute spürbar.

Der Weg zur Deutschen Einheit war für viele Juden ein hoffnungsvolles Kapitel. Mit der Wiedervereinigung öffneten sich insbesondere für Juden aus der ehemaligen DDR neue Möglichkeiten, sich mit der Welt zu verbinden und die jüdische Identität zu leben.

Im wiedervereinigten Deutschland gilt der Konsens, eine diskriminierungsfreie und hassfreie Gesellschaft zu leben, zu schützen und zu wahren. Es ist daher ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag, sich auch für die Sicherung jüdischen Lebens in Deutschland stark zu machen.