Sehr geehrter Herr Adler,
haben Sie vielen Dank für Ihr Antwortschreiben vom 22. Juni. Wie angekündigt haben wir uns mit Ihrer Kritik eingehend beschäftigt und möchten uns erneut für Ihre Hinweise bedanken. Gemeinsam mit zwei Expert*innen haben wir das betreffende Werk vor diesem Hintergrund eingehend begutachtet und sind zu der Einschätzung gekommen, dass es einer kritischen Kommentierung bedarf. Diese haben wir nun verfasst und werden sie sowohl in der Ausstellung als auch als Pressemeldung veröffentlichen.
Zu Ihrer Information finden Sie den Wortlaut des Kommentars unten stehend:
Hinweis
Das Werk The ABC of Racist Europe von Daniela Ortiz hat für öffentliche Kritik gesorgt. Es geht um die Bedenken, dass sich in diesem Werk Darstellungen finden, die israelbezogenem Antisemitismus Vorschub leisten. Wir möchten das Werk daher vor diesem Hintergrund kritisch kommentieren.
Bildtafel G .
Die Bildtafel G suggeriert, dass der Staat Israel gemeinsam mit der britischen Sicherheitsfirma G4S Gefängnisse betreibe, in denen palästinensische Gefangene gefoltert werden. Nach jetzigem Stand hat G4S seine Dienstleistungen für israelische Gefängnisse 2016 beendet. Die Firma hat die Gefängnisse jedoch nicht betrieben. Kern der Dienstleistung war die Lieferung und Wartung von Sicherheitssystemen. Seit 2016 gibt es diese Dienstleistung nicht mehr. Die Vorwürfe einer Beteiligung an Folter konnten nicht erhärtet werden.
Bildtafel I
Auf der Bildtafel I] taucht eine gezeichnete Figur namens „Handala“ auf, Diese Figur des Zeichners Nadschi al-Ali (1938—1987) ist prägnanter Teil des Logos der propalästinensischen Bewegung „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS) und Symbol des palästinensischen Widerstands gegen die israelische Militärbesatzung. Sie soll einen zehnjährigen palästinensischen Flüchtlingsjungen symbolisieren, der — wie der Zeichner—1948 seine Heimat verlassen musste. Die Handala-Figur ist ein typisches Bildelement, das die Unterstützung palästinensischer Anliegen und der BDS-Bewegung symbolisiert.
Bildtafel R
In dieser Darstellung ist eine Karte von Israel, Westbank und Gaza als palästinensisches Gesamtterritorium abgebildet, in der die international anerkannten Grenzen von 1967 nicht existieren. Im Kontext des gesamten Werkes lässt sich darauf schließen, dass hier die Forderung nach einem palästinensischen Staat vom Jordan-Fluss bis zum Mittelmeer dargestellt wird. In diesem Fall handelt es sich um ein klassisches Motiv im israelbezogene Antisemitismus: Die Delegitimierung bzw. das Propagieren einer Auslöschung des Staates Israel, Auf derselben Bildtafel findet sich ein Foto von Ahmad Sa’adat, dem Generalsekretär der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), mit einem Aufruf zu seiner Freilassung aus dem israelischen Gefängnis. Die PFLP steht auf der EU-Terroristenliste und war in den späten 1960er- und frühen 1970er-Jahren maßgeblich an Flugzeugentführungen beteiligt, u.a. um Gefangene freizupressen. 2001 bekannte sich die PFLP zur Ermordung des israelischen Tourismusministers Rechawam Seewi. Ahmad Sa’adat wurde daraufhin festgenommen und als Drahtzieher zu 30 Jahren Haft verurteilt.
Bildtafel W
Auf der Bildtafel für den Buchstaben W ist ein liegender, lesender Mensch dargestellt sowie eine Reihe von Büchern, darunter auch das Buch der franco-algerischen Aktivistin Houdia Bouteldji Les Blancs, les Juifs et nous (Die Weißen, die Juden und wir), das nicht zuletzt wegen der darin gemachten Äußerungen zu Israel hoch umstritten ist, Die Aktivistin selbst ist immer wieder durch ihre antiisraelischen und antisemitischen Äußerungen aufgefallen.
Die Bundeskunsthalle und das Ausstellungsteam distanzieren sich von dieser und jeglicher anderen Form der Verherrlichung oder Bagatellisierung von Gewalt und von Antisemitismus.
Wir bedanken uns erneut für Ihren Anstoß und senden freundliche Grüße,