Sehr geehrte Frau Präsidentin Prof. von Blumenthal,
die Eskalation antisemitischer Proteste und Störaktionen an deutschen Universitäten schufen ein Klima antisemitischer Gewalt, das nun zu einem gewalttätigen Übergriff eines FU-Studenten auf seinen jüdischen Kommilitonen führte. Die einzig richtige Antwort auf diese Gewalt ist die Umsetzung konkreter Maßnahmen, die die Universitäten wieder zu Orten der Wissenschaft und des Diskurses macht und Gewalt präventiv ausschließt.
Im Zuge dessen soll nun das Berliner Hochschulgesetz reformiert und die Möglichkeit der Exmatrikulation von Gewalttätern geschaffen werden. Wir möchten Ihnen für Ihre klare Haltung und Befürwortung dieser gesetzlichen Reform danken und Sie in ihrer Position bestärken.
Der Referent_innenrat (RefRat) der Humboldt-Universität zu Berlin äußerte Ende Februar Kritik am Reformvorhaben und sprach von der Sorge um politische Repression.
„Durch Exmatrikulation können BAföG und Wohnsituation im Studierendenwohnheim wegbrechen. Für Studierende, deren Aufenthaltsstatus an ihrem Studierendenstatus hängt, kann eine Zwangsexmatrikulation das Wegbrechen jeglicher Existenzgrundlage bis hin zur Abschiebung bedeuten“[1], heißt es in der Stellungnahme des RefRats.
Es ist nur schwer nachzuvollziehen, wie ein Gremium, das Beauftragtenstellen für Betroffene von Gewalt an der Universität fordert, sich gleichzeitig für den Schutz von Tätern, statt von Opfern stark macht. Zur Erinnerung: das Ordnungsrecht, das bis 2021 in Berlin auf Basis des Hochschulrahmengesetzes gegolten hat, regelte den Umgang mit Studierenden, die durch die Anwendung von Gewalt, durch Aufforderung zur Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Betrieb einer Hochschuleinrichtung, die Tätigkeit eines Hochschulorgans, die Durchführung einer Hochschulveranstaltung oder in sonstiger Weise den Studienbetrieb beeinträchtigen, verhindern oder zu verhindern versuchten.[2]
Dass ein entsprechend gewaltbereites Verhalten nicht geduldet werden darf, sollte selbstverständlich und indiskutabel sein. Opfern dieser Gewalt darf nicht zugemutet werden, unter Umständen mit ihrem Angreifer weiter im Seminar sitzen zu müssen oder am Universitätscampus weiter dieser Bedrohung ausgesetzt zu sein. Die
Wiedereinführung des Ordnungsrechts mit der Ergänzung einer möglichen Exmatrikulation von Gewalttätern ist daher nur folgerichtig.
Während der RefRat behauptet, dies sei keine wirksame Lösung im Umgang mit Antisemitismus, möchten wir betonen, dass mit dieser Maßnahme allen Opfern verbaler und physischer Gewalt – ob queer, PoC, muslimisch, jüdisch oder von mehrfacher Diskriminierung betroffen – Schutz geboten werden kann. Der in diesem Zusammenhang vom RefRat vorgetragene Vorwurf, der Schutz marginalisierter Gruppen würde für rechte Politik vorgeschoben werden, „um autoritäre Maßnahmen durchzudrücken, während ansonsten viel Stimmung gemacht wird und sich wenig um die Anliegen von Betroffenen gekümmert wird“[3], ist daher eine populistische Nebelkerze, von der man sich nicht beirren lassen darf.
Da der RefRat Unsicherheiten bei der Definition von Antisemitismus aufzeigt, möchten wir Sie gerne an die 2019 von der HRK verabschiedete Resolution gegen Antisemitismus an den Universitäten erinnern, die sich zur IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus bekennt.[4] Für die Humboldt-Universität, wie auch für weitere Universitäten und Hochschulen sollte damit klar definiert sein, wo die Grenze der Meinungsfreiheit verläuft und wo Antisemitismus beginnt.
Wir danken Ihnen für Ihre klare Haltung gegen menschenverachtendes Gedankengut an der HU und die Verurteilung von Antisemitismus.
Wir weisen höflich darauf hin, dass wir diesen Brief und Ihre Antwort – wenn Sie es uns nicht anders auferlegen – öffentlich kommunizieren werden. Persönliche Kontaktdaten und Unterschriften würden dabei unkenntlich gemacht.
Für ein Gespräch oder Rückfragen stehe ich gerne zu Ihrer Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Elio Adler
Vorsitzender
[1] https://www.refrat.de/article/PMOrdnungrecht.html.
[2] § 28 HRG a.F. (BGBl I 1987, 1178 vom 23.04.1987).
[3] https://www.refrat.de/article/PMOrdnungrecht.html.
[4] https://www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/kein-platz-fuer-antisemitismus/.